In Trastevere in Rom liegt das Herz von Sant’Egidio, hier laufen die Fäden eines weltumspannenden Netzes zusammen, was den Neid manches Diplomaten erregt. Von Daniel Deckers
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.05.2009 Seite 5
ROM, im Mai. Am Tag hatte es so heftig geregnet, wie es an einem Frühlingstag in Rom nur regnen kann. Die Frau rührte sich nicht von der Stelle. Die Einkaufswagen mit Plastikplanen bedeckt, die Hände in wollenen Handschuhen verborgen, auf dem Kopf eine blaue Mütze, so hockt Lucrezia unweit der Kirche Santa Maria Maggiore dort, wo Cecilia und Nicoletta sie vor zwei Jahren zum ersten Mal trafen: zwischen Touristeninformation und Rinnstein. Jeden Dienstag- abend machen die beiden Frauen hier ihre Runde, durchstreifen im fahlen Licht der Straßenbeleuchtung das andere Rom. Ihre „Freunde“, wie die junge Lehrerin und die pensionierte Sekretärin sie nennen, erwarten sie nicht in den lauschigen Innenhöfen der sagenumwobenen Palazzi oder an reichgedeckten Tischen in schicken Trattorias. Sie leben auf der Straße. Dreimal in der Woche ist für sie die Mensa der „Gemeinschaft Sant’Egidio“ geöffnet. (mehr …)